Sich anpassen - was heisst das konkret?
Futterbau
Einführung
Die Schweizer Agrarlandschaft fusst zu einem grossen Teil auf Grasland. Das betrifft Regionen im Mittelland, im Jura, in der voralpinen Hügelzone und in den Alpen. Da gerade das Rindvieh vorwiegend Wiesenfutter frisst, fordert der Klimawandel die Futterproduktion heraus. Dadurch gibt es Druck auf die Ernährung unserer Nutztiere, aber auch auf das System der Alpwirtschaft und hat damit Konsequenzen für den Tourismus und andere, auf den ersten Blick nicht verhängte Wirtschaftszweige. Zwar ermöglicht eine längere Vegetationszeit zusätzliche Erträge – wenn der Wassermangel diese nicht schmälert.
Resiliente und resistente Pflanzen
Auch bei den Futtergräsern reagieren die Sorten unterschiedlich empfindlich auf die Trockenheit.
Im Unterschied zum Ausland bauen Bäuerinnen und Bauern in der Schweiz selten reine Futterkulturen an, meist handelt es sich um Mischungen aus Gräsern, Klee und Kräutern. Eine höhere Artenvielfalt im Grünland hilft, die Bestände widerstandsfähiger gegen Trockenheit zu machen. Gräser altern rascher als Leguminosen und Kräuter. Deshalb kann man mit erhöhtem Anteil an Kräuter und Leguminosen der rasche Anstieg der Rohfasergehalte bei Trockenheit verzögern. Der Gedanke nach breiter Abstützung ist bei Mischungen also schon vorhanden – sollte aber sicher hinsichtlich Trockenheitstoleranz weiter ausgebaut werden.
Für die Wiesen ist die Wahl der Futtermischung massgebend. Bei den Gräsern widerstehen das Knäuelgras und die Schwingel Trockenheit relativ gut und sind oft Teil der 300er-Mischungen. Bei den Hülsenfrüchten wird Luzerne, die «Königin der Futterpflanzen», sowohl alleine als gemischt angebaut und verträgt dank ihrer sehr tief wachsenden Pfahlwurzel Trockenheit gut. Auf weniger intensiv genutzten Wiesen feiert die Esparsette ein Comeback und weist interessante Eigenschaften auf. Auf intensiv genutzten Wiesen wird auch Rotklee empfohlen, weil dieser bei vergleichbarem Ertragsniveau trockentoleranter ist als Englisch Raygrass und Narbenlücken bei trockenheitsbedingtem Ausfall von Gräsern schliessen kann.
Das DryMountProject (2023–2027) von Agroscope testet in den fünf Partnerkantonen der Versuchsstation Alp- und Berglandwirtschaft neue Futtermischungen, die sich besser für Trockenheit in Bergregionen eignen.
Schnitthöhe und -zeitpunkt
Bei Trockenheit und hohen Temperaturen ist es umso wichtiger, Sorge zum Bestand zu tragen. Schliesslich hat man weniger Reaktionsmöglichkeiten: Dünger wirken schlechter ohne Feuchtigkeit und Bestände erholen sich nur langsam, Übersaaten sind nur eingeschränkt möglich. Eine Schnitthöhe von 6 bis 8 Zentimetern ergibt (generell und unter den Aspekten des Klimawandels) verschiedene futterbauliche Vorteile:
- Zu tief mähen fördert schlechte Futtergräser und verdrängt die guten. Das hat damit zu tun, dass die guten Futtergräser tendenziell ihre Reserven höher lagern als die schlechten. Mit einem zu tiefen Schnitt erholen sich die guten Futtergräser also langsam, während die schlechten einen Vorteil haben und sich ausbreiten können.
- Die Ertragseinbussen relativieren sich: Der Bestand wird besser, wächst rascher, Nährstoff- und Energiegehalte steigen (die unteren Stängelteile enthalten wenig Nährstoffe und Energie, sie sind tendenziell verholzt).
- Kurze Pflanzenbestände leiden bei Trockenheit stärker, durch den geringeren Bewuchs trocknet der Boden stärker aus.
- Bei der Ernte gelangt weniger Schmutz ins Futter, weil an unebenen Stellen nicht Erde aufgekratzt oder gar Maushaufen aufgewühlt werden.
- In heissen und trockenen Witterungsphasen ist es sinnvoll, die Wiesen etwas länger stehen zu lassen. Dadurch sinkt zwar die Futterqualität etwas, aber die Ernte würde den Bestand zusätzlich stressenQ23.
Weidemanagement und Tierbestand
Gras wächst nicht das ganze Jahr hindurch gleichmässig. Futtergräser sind sehr resilient. Sie pausieren das Wachstum, wenn das Wasser knapp wird, und zeigen nach Regen eine erstaunliche Fähigkeit zur Wiederbelebung. Daher gibt es meist im Frühling einen ersten Wachstumsschub aus der Feuchtigkeit, die vom Winter im Boden gespeichert ist. Im Sommer nimmt das Wachstum ab und erreicht am Ende der Saison, im Herbst, einen zweiten Höhepunkt. Die Empfehlung ist deshalb, im Frühling früh mit dem Weiden zu beginnen, mit einer relativ hohen Zahl an Tieren pro Flächeneinheit und mit UmtriebsweidenQ24. Im Sommer, wenn das Graswachstum sinkt, gilt es den Tierbesatz anzupassen, namentlich bei Trockenheit, indem man die Fläche der Weideparzelle erhöht oder die Zahl der Tiere senkt (Sömmerung, Abtrennung der Galt- und Jungkühe usw.)Q25. Im Herbst kann man den Besatz entsprechend dem Wachstumszyklus des Grases wieder erhöhen. Zu diesem Zeitpunkt kann sich auch eine Nachsaat lohnen, diese hat mit der winterlichen Feuchtigkeit bessere Startchancen als eine Frühjahrssaat.
Die Sömmerungsgebiete sind eine sehr wichtige zusätzliche Futterquelle, die besser zu nutzen ist. Bei der Alpung bleibt die Zahl der Tiere im Allgemeinen den ganzen Sommer über stabil, da der Alpaufzug viel Arbeit bedeutet und der Viehtransport keine einfache Sache ist. Bei Trockenheit reicht aber das Gras der Weiden möglicherweise nicht für die Fütterung der ganzen Herde aus. Deshalb ist manchmal die Zufuhr von Futtermitteln aus dem Tal notwendig.
Die Art des Viehs und die Rassen sind ebenfalls wichtig und es kann sein, dass langfristig eine Änderung des Viehbestands notwendig wird. Landrassen beispielsweise sind widerstandsfähiger, auch gegenüber dem Klimawandel, und stellen weniger Ansprüche ans Futter.
Futterlagerkapazität und Alternativen
Da die Produktion von hofeigenem Raufutter zunehmend unzuverlässig wird – steigende Temperaturen, Trockenheit und Extremereignisse mindern die Ertragsstabilität und die Qualität – kann es sinnvoll sein, grössere Lagerkapazitäten anzulegen. Das bedeutet Umbauten oder Erweiterungen und damit Investitionskosten.
Welche Möglichkeiten gibt es, im Bereich Futter flexibel zu bleiben?
- Die Produktion von Futter muss zum Standort passen.
- Diversifizieren: Fruchtfolgeeffekte nutzen (Nährstoffe) und Risiken streuen
- Zwischenfrüchte
- Erfahrungen mit neuen Kulturen sammeln
- Schnittzeitpunkt und -häufigkeit anpassen
- Weniger Verluste auf dem Feld, bei der Ernte, am Lager und an der Krippe
- Controlling etablieren: Ertragserfassung, Siloüberwachung, Futtermengenüberwachung usw.
- Jederzeit mindestens 20 % Reserve resp. Vorräte für 2-3 Monate einplanen
- Flexible Futterproduktion: Anbau- und Futterplanung an Vorräte und Ernteaussichten anpassen, Zwischenfrüchte, Ganzpflanzensilagen usw.
- Steht Regen an, kann man die Ansaat einer Zwischenkultur überlegen, um einen Teil des sommerlichen Ertragsausfalls zu kompensieren.
- Wiesenpflege ist wichtig: hartnäckige Unkräuter früh regulieren, so dass sie sich nicht ausbreiten können, Lücken in der Grasnarbe nachsäen.
- Milchleistung (Genetik, Rasse) anpassen, so dass die Tiere flexibler sind
- Futtermanagement in der Region oder überbetrieblich
- Anpassen der Tierzahl (abhängig von Preisen)
- Zuverlässige FutterbörsenQ27
- Sorghum, ein aus Afrika stammendes maisähnliches Getreide, besonders gut an Trockenheit angepasst. Es gehört zur Familie der Gräser und kann gemäht, siliert oder geweidet werden. Bei der Nutzung als Futtermittel besteht für Vieh die Gefahr einer Blausäurevergiftung beim Verzehr junger Pflanzen. Bütikofer N. et al. (2023) stellen eine Karte für die Sorghumproduktion bereit, welche dessen Wärmeansprüche berücksichtigtQ26 (siehe auch Anpassungsmassnahmen - Ackerbau).
Agroforst und Biodiversität
In der Schweiz typische Mischkulturen wie Hochstammbäume auf Wiesen oder Weiden gehören auch zur Agroforstwirtschaft. Im Zuge des Klimawandels erhält das System wieder mehr Aufmerksamkeit, denn es trägt zu einer effektiven Anpassung an wärmere und trockenere Bedingungen bei. Dieses Landnutzungssystem nutzt Nährstoffe, Wasser und Licht effizienter. Die Bäume bieten den Nutztieren Schatten und reduzieren dadurch lokal die Temperaturen. Das tiefragende Wurzelwerk ist zudem fähig, Wasserressourcen aus tieferen Erdschichten nach oben zu schleusen, wovon auch das Gras profiziert. Ebenso entsteht ein höherer Humuseintrag, der das Wasserrückhaltevermögen verbessert und die Böden widerstandsfähiger gegen Trockenheit macht.
Ausserdem stellen Bäume und Sträucher Lebensraum und Nahrung für Insekten und Kleintiere zur Verfügung und fördern damit die Biodiversität.
Biodiversitätsförderung ist eine Bedingung des ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN), dessen Erfüllen wiederum Bedingung für den Erhalt von Direktzahlungen ist. Betriebe müssen 7 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Biodiversitätsflächen anlegen. Dass es im Durchschnitt aller Betriebe jedoch 19 % sind zeigt, dass der Erhalt und die Förderung von Biodiversität auch ein Anliegen der Schweizer Bäuerinnen und Bauern ist.
Auf Grasland sind Biodiversitätselemente sehr verbreitet: extensive und wenig intensive Weiden und Wiesen mit Struktur, Hecken, Einzelbäume, Wald- und Wytweiden, Flächen im Sömmerungsgebiet, aber auch Trockenmauern oder Wassergräben, Tümpel und Teiche kommen vor. Die Förderung von Biodiversität sorgt für stabilere Ökosysteme und wirkt sich mittel- bis langfristig positiv auf den Humusgehalt sowie auf die Wasserrückhaltefähigkeit und die Fruchtbarkeit der Böden aus.
Mehr zum Thema Biodiversität: Fokus digital «Biodiversität»
Bodengesundheit
Während die Wichtigkeit von Bodengesundheit im Ackerbau offensichtlicher scheint, darf man sie auch im Futterbau nicht vernachlässigen. Kurze Schönwetterfenster und lange Regenperioden führen dazu, dass auch im Futterbau zu ungünstigen Zeitpunkten geerntet werden muss. Das führt zu Bodenverdichtung und verschmutztem Futter.
Dauergrünland ist ständig mit Pflanzen bedeckt, was Erosion und Nährstoffverluste auf ein Minimum begrenzt. Hier gilt es vielmehr Sorge zur Grasnarbe zu tragen, allfällige Löcher nachzusäen, damit sich keine hartnäckigen Unkräuter etablieren können.
Zunehmende Sommertrockenheit macht das Ansäen von Wiesen nach der Getreideernte («Äugstlen») schwieriger. Hier lohnt es sich, über Untersaaten in der Vorkultur nachzudenken, um die Bodenfeuchtigkeit zu nutzen und dem Grasbestand einen guten Start zu ermöglichen. Mit Übersaaten können Bestände verbessert werden, ohne dass gleich die ganze Parzelle neu angesät werden muss.
Während Böden unter Dauergrünland meist gut belüftet sind und eine gute Wasserspeicherkapazität haben, sind die Herausforderungen im Kunstfutterbau hinsichtlich der Bodenfruchtbarkeit ähnlich wie im Ackerbau (siehe auch Bodengesundheit).
Bewässerung und Wasserspeicherung
Während Bewässerung im Ackerbau immer ein grösseres Thema wird, rechnet sie sich im Futterbau auch in Extremszenarien nichtQ13. Zwar gibt es traditionelle Bewässerungssysteme von Wiesen, z. B. im Wallis (Suonen, franz. bisses). Darüber hinaus ist jedoch nicht davon auszugehen, dass Grasflächen in den nächsten Jahrzehnten bewässert werden. Wasserspeicherung betrifft daher vor allem die Tierhaltung.
Mehr Informationen zu den zum Thema Wasser wichtigen Aspekten wie Nutzungskonflikte, Investitionskosten teilen und Bewässerung sind im Kapitel «Ackerbau - Bewässerung und und Wasserspeicherung» zu finden.
Invasive Pflanzen
Insekten, Unkräuter, Neophyten und Krankheiten gehören in der Schweiz tendenziell zu den Gewinnern der Klimaerwärmung, da wärmere Temperaturen in den Sommermonaten, längere Vegetationsperioden und mildere Winter ihre Entwicklung begünstigen und bessere Ausbreitungsmöglichkeiten schaffen. Zudem wandern bereits neue Schädlinge aus ursprünglich wärmeren Gefilden zu und bedrohen die einheimischen Kulturen.
Das Problem ist im Ackerbau und in den Spezialkulturen bedeutend grösser als im Futterbau. Allerdings profitieren gerade invasive Pflanzen von den milderen Bedingungen und besiedeln immer höher liegende Regionen, die bis anhin von ihnen verschont wurden. Eine davon ist das Jakobs-Kreuzkraut oder Jakobs-Greiskraut. Die giftige Pflanze breitet sich auf Weiden aus und kann bei Verzehr zum Tod des Tiers führen. Davon sind insbesondere junge Tiere betroffen; ältere meiden die Pflanze auf der Weide meistens. Gelangt das Kraut jedoch ins Heu oder in die Silage, können die Tiere es nicht mehr vom anderen Futter unterscheiden.
