Der Klimawandel und seine Auswirkungen

Auswirkungen des Klimawandels auf den Schweizer Acker- und Futterbau

Temperaturen

Leicht höhere Temperaturen sind eher positiv für den Weinbau und andere Spezialkulturen, sowie in gewissen niederschlagsreichen Bergregionen. Erträge von verschiedenen Kulturen wie Körnermais können von wärmeren Temperaturen ebenfalls profitieren, sofern die Wasserknappheit nicht entgegengesetzt wirktQ03Zudem erlauben es längere Vegetationszeiten, bisher wenig etablierte Kulturen mit langen Reifeperioden wie Soja und Hirse vermehrt anzubauen. Sonnenbedürftige Obstpflanzen wie Aprikosen oder Pfirsiche können durch den mittleren Temperaturanstieg auch in bisher ungünstigeren Regionen gedeihen.

 

Trotz der positiven Effekte auf bestimmte Pflanzenkulturen bringt der Temperaturanstieg auch Risiken. Die Erwärmung erhöht den Schädlingsdruck, da sich pro Anbauperiode mehr Generationen entwickeln können (Beispiel Apfelwickler: 2-3 Generationen anstatt 1-2 wie bis anhin). Zudem verschmälert sich die Kältebarriere der Alpen, was invasiven Arten ermöglicht, vom Süden ins Mittelland zu migrieren. Ein Beispiel ist der Japankäfer, für den die Überlebensbedingungen immer günstiger werden und der sich folglich immer besser ausbreiten kann (siehe Abbildung unten). 2020 wurde der erste Befallsherd in der Schweiz festgestellt. Der Japankäfer gilt als Quarantäneorganismus im Sinn der Pflanzengesundheitsverordnung. Das bedeutet, dass Funde in der Schweiz und in der EU melde- und bekämpfungspflichtig sind.

Potenzielle Verbreitung des Japankäfers unter heutigen (1981–2010) und zukünftigen (2070–2099) Klimabedingungen. Die Karten zeigen, wie günstig das Klima an einem Standort für das längerfristige Überleben des Insekts ist (Resultate von Simulationen mit Modell CLIMEX), NCCS (o.D.).

Mittelfristig werden die negativen Effekte des Klimawandels auf die Landwirtschaft auch bei optimistischem Szenario mit konsequentem Klimaschutz klar überwiegen. Denn die Erwärmung wirkt sich negativ auf Kulturen wie Wintergetreide oder Kartoffeln aus. Wintergetreide ist auf eine ausreichend lange Kälteperiode angewiesen, die das «Schossen» und Blühen induziert. Schwächen zunehmend milde Winter diese Kälte, kann dies die Entwicklung beeinträchtigenQ04.

Niederschläge und Trockenzeiten

Der Grossteil des Wassers für die Kulturen stammt aus dem Regenwasser. Verminderte Niederschläge, insbesondere während der Hauptwachstumszeit, können sich daher als sehr problematisch erweisen. Zunehmende Hitze und Sommertrockenheit setzen fast alle Pflanzen, zudem vor allem die Kartoffelpflanze unter Stress, die daraufhin ihr Knollenwachstum temporär einstellt. Auch die Knollenqualität verschlechtert sich durch vermehrtes Auftreten von Hitze. Die Raufutterproduktion könnte sich aufgrund der längeren Vegetationsperiode erhöhen, sofern ausreichend Wasser vorhanden ist. Da sich die Bewässerung von Grünland jedoch wirtschaftlich kaum lohnt, ist es mittelfristig naheliegender, dass die Erträge aufgrund von Trockenheit abnehmen.

Die Bewässerung versorgt die Kulturen mit Wasser und erlaubt, den durch unregelmässige oder unzureichende Niederschläge verursachten Wassermangel auszugleichen. Denn jede Kultur reagiert in einem bestimmten Wachstumsstadium besonders empfindlich auf Wassermangel. Wenn in dieser kritischen Zeit das Wasser ausbleibt, kann dies sehr hohe Ernteausfälle bewirken. Bewässerung in diesem Zeitraum gewährleistet also Ertrag und Qualität. Die Schweizer Landwirtschaft verbraucht für die Bewässerung in etwa 10 % des Gesamtwasserbedarfs der SchweizQ05, aber die Daten im Zusammenhang mit dem Wasserverbrauch in der Landwirtschaft weisen in der Schweiz noch grosse Lücken aufQ06. Zum Vergleich: In Europa liegt der Verbrauch für die Bewässerung bei rund 40 %Q07 und weltweit sogar bei 70 %Q08 des Gesamtwasserbedarfs.

Traditionell trockene Gebiete wie das Wallis bewässern auch ihre Wiesen bereits seit Jahrhunderten. Die sogenannten Suonen zeugen davon. Das BLW schätzt den Wasserverbrauch der Schweizer Landwirtschaft auf 144 Mio. m3 für ein durchschnittliches Jahr, in dem 5 bis 6 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche bewässert werden. Die Prognosen gehen von einer Zunahme des Bewässerungsbedarfs um 40 % aus; davon entfallen 10 bis 20 % auf Gebiete, die derzeit bereits bewässert werdenQ05.

Zunahme des Bewässerungsbedarfs bis 2035, geschätzt als Differenz der Werte in den zwei Karten von Links: absolute Zunahme (mm); rechts: relative Zunahme in %, (Agroscope 2023).

Der Bewässerungsbedarf variiert regional stark. Die grösste Bewässerungsfläche entfällt auf das Wallis. Das liegt an den lokalen klimatischen Voraussetzungen, der Bodenbeschaffenheit und den angebauten KulturenQ30.

Überdurchschnittlich viel Niederschlag durchnässt die Böden, die dadurch schwer oder gar nicht mehr bearbeitet werden können. Das wiederum verzögert Aussaat, Mahd und Ernte. Bestehende Kulturen können unter Pilzerkrankungen und Wurzelfäule leiden, was zu einem beträchtlichen Rückgang der Erträge führt. Zudem verschärften Starkniederschläge die Bodenerosion. Dadurch sinkt die Fruchtbarkeit der landwirtschaftlichen Nutzflächen langfristig. Häufige Überschwemmungen können darüber hinaus die landwirtschaftliche Infrastruktur beschädigen, z. B. Bewässerungssysteme und Lagereinrichtungen. Das Ergebnis ist, dass Landwirtinnen und Landwirte mit höheren Produktionskosten und abnehmender Einkommensstabilität rechnen müssen.

Schädlingsdruck und Krankheitsrisiko

Insekten, Unkräuter, Neophyten und Krankheiten gehören in der Schweiz tendenziell zu den Gewinnern der Klimaerwärmung, da wärmere Temperaturen in den Sommermonaten, längere Vegetationsperioden und mildere Winter ihre Entwicklung begünstigen und bessere Ausbreitungsmöglichkeiten schaffen. Zudem wandern bereits neue Schädlinge aus ursprünglich wärmeren Gefilden zu und bedrohen die einheimischen Kulturen.

Zahlreiche virale, bakterielle und Pilzkrankheiten hängen von Faktoren wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit ab. Auch wenn trockenere Perioden den Druck bestimmter Pilzkrankheiten senken, die sich in feuchten Bedingungen ausbreiten, führt anhaltende Trockenheit zu grossem Stress für die Pflanzen und macht sie empfindlicher und anfälliger für Krankheiten. Bestimmte Insekten sind Krankheitsträger, wie die Schilf-Glasflügelzikade, welche Hauptträgerin der Zuckerrübenkrankheit SBR (Syndrome Basses Richesses, Syndrom der niedrigen Zuckergehalte) ist, das sich 2017 im Kanton Waadt ausgebreitet hat.

Ein zweites Beispiel ist die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii), die 2011 erstmals in der Schweiz auftauchte. Sie ist ein bedeutender Schädling an Beeren, Kirschen, Zwetschgen und Trauben. Das Weibchen sägt ein Loch in die intakte Haut von abreifenden Früchten und legt ihre Eier in die Frucht. Die Larven schlüpfen und ernähren sich vom Innern der Frucht, wodurch diese ungeniessbar wird (nach Essig riecht). Da sich die Kirschessigfliege bei warmen Temperaturen extrem schnell vermehren kann, können die Schäden verheerend sein. In Mitteleuropa muss man mit 4-5 Generationen (max. 8) rechnen. Wilde Kirschbäume und Beerensträucher dienen als Zwischenwirte. Die Bekämpfung der Kirschessigfliege folgt einem Gesamtkonzept mit verschiedenen Bausteinen. Dazu gehören zum Beispiel eine Risikoabschätzung über Fallenmonitoring und Befallskontrollen, Simulationsmodelle, frühzeitiges und rasches Abernten, gute Durchlüftung und rasch abtrocknende Bestände, Entsorgung von überreifen und beschädigten Früchten, Einnetzung von Obstanlagen, Einsatz von natürlichen Gegenspielern, mineralische Produkte wie Kaolin und Löschkalk, Insektizide usw.

Die Insekten sind nicht die einzigen, welche die höheren Temperaturen nutzen, um sich hier zu etablieren, sondern es gibt auch Pflanzen, wie das Erdmandelgrass (Cyperus esculentus L.). Unempfindlich gegenüber Herbiziden, stellt ihre Ausbreitung in der Schweiz eine Bedrohung für die Landwirtschaft dar und führt bei vielen Kulturen zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten. Problematische Pflanzen sind in der Schwarzen Liste der invasiven Neophyten aufgelistet. Folgende Arten betreffen die Landwirtschaft und müssen bekämpft werden.

  • Ambrosia (Ambrosia artemisiifolia L.)
  • Japanknöterich (Reynoutria japonica)
  • Riesen - Bärenklau (Heracleum mantegazzianum)
  • Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera)
  • Kanadische Goldrute (Solidago canadensis L.)
  • Einjähriges Berufkraut (Erigeron annuus)

Mehr zu invasiven Schadorganismen

Alle der oben vorgestellten Arten gehören zu den 64 exotischen, potenziell invasiven Schadinsektenarten, die mit einem Monitoring überwacht werden. Ziel sind Modellierungen, welche die Verbreitung von spezifischen, landwirtschaftlich relevanten Schadinsekten einschätzen und vorhersagen. In der Schweiz sind seitens der Forschungsanstalten Bestrebungen im Gange, neue Konzepte des Monitorings zu schaffen und anzupassen, um die Verbreitung und Ausbreitungsdynamik invasiver Schaderreger frühzeitig zu erfassen. Diese dienen als wichtige Entscheidungshilfen für BekämpfungsmassnahmenQ20.

Seit den Nullerjahren werden auch die invasiven Pflanzen beobachtet und überwacht. Verschiedene Arbeitsgruppen packen das Problem an und definieren Gegenmassnahmen. Für eine effektive Wirkung ist es zentral, dass alle landbesitzenden Stellen am gleichen Strick ziehen: Denn invasive Neophyten und Neozoon verbreiten sich nicht nur auf Landwirtschaftsland. Gefragt sind hier z. B. die öffentliche Hand, die SBB etc.

Perspektive

Die mit dem Klimawandel zusammenhängende Zunahme von Extremereignissen stellt die Schweizer Bauernfamilien deshalb vor neue Herausforderungen.

In der nachstehenden Tabelle sind die grössten Chancen und Gefahren dieser Veränderungen für die pflanzliche Produktion zusammengefasst.

Parameter Risiko Chance
Temperaturanstieg

a) Erhöhte Temperaturen

Einige bis anhin bewährte Kulturen / Sorten können nicht mehr angebaut werden Ermöglichung des Anbaus von neuen Kulturen (vorbehaltlich der Akzeptanz durch Konsument/innen)

a) Erhöhte Temperaturen

Vermehrtes Auftreten von bestimmten Schädlingen, Krankheiten und gebietsfremden invasiven Arten Anbau bestimmter Pflanzen neu in höheren Lagen möglich

a) Erhöhte Temperaturen

Ertrags- und Qualitätsreduktion Ertragssteigerung

Erhöhte Temperaturen

Gefahr von Spätfrost Beschleunigtes Wachstum

b) Hitzewellen

Ertrags- und Qualitätsreduktion -

b) Hitzewellen

Höherer Wasserbedarf der Kulturpflanzen -

Niederschlagsveränderung

a) Abnahme der Niederschläge

Verlangsamtes Wachstum in der Phase der Ertragsbildung im Sommer (Risiko von Minderertrag) -
b) Zunahme der Niederschläge

a) Veränderte Niederschlagsmuster

Nasser Frühling und Herbst (erschweren Saat, Ernte, Pflegemassnahmen etc.) -

c) Trockenperioden

Ernteausfälle, Ertragseinbussen Anbau neuer Kulturen / angepasster Sorten

b) Trockenperioden

Erhöhter Bedarf an Bewässerung -

d) Intensive Regenperioden

Fehlende Infrastruktur zur Wasserspeicherung führt zu Engpässen Auffüllen der Wasserreserven (Grundwasser), Wasserspeicherung von Niederschlägen

c) Intensive Regenperioden

Zunahme Ertragsvariabilität -

e) Lokale Starkniederschläge

Bodenerosion, Hangrutsche, Verschlämmung usw. -

d) Lokale Starkniederschläge

Nährstoffverluste -

d) Lokale Starkniederschläge

Überschwemmungen, Staunässe -

Die aufgezählten Chancen sind Anpassungsoptionen. Das heisst, diese Möglichkeiten bestehen, sind aber nur unter bestimmten Bedingungen auch erfolgreich.

Zwei Beispiele:

  • Auch wenn wir neue Kulturen und Sorten erfolgreich anbauen können, hängt ihr Erfolg massgeblich vom Markt und insbesondere von der Akzeptanz der Konsumierenden ab. Konsumgewohnheiten verändern sich nur langsam. Dazu kommen der Preisdruck und die Konkurrenz durch Importe.
  • Die Speicherung von Regenwasser ist ebenfalls kein Wundermittel, erfordert sie doch umfangreiche finanzielle Mittel, die nicht immer amortisiert werden können (z. B. für Getreide), und viel Platz, der mitunter die produktiven Flächen konkurrenziert.

Ernte-Ausfall-Versicherung

Es gibt Ernteausfallversicherungen für aussergewöhnliche Wetterereignisse. Wie bei allen Versicherungen stützen sich die Prämien auf die Risikobeurteilung und können steigen, wenn die Schäden zunehmen. Das führt zu zusätzlichen Kosten für die Bauernfamilien. Ausserdem drohen beispielsweise Dürreschäden in der ganzen Schweiz gleichzeitig aufzutreten, was das Versicherungssystem weiter unter Druck bringt. Ab 2025 werden die Ernteversicherungen vom Staat subventioniert. Versichern kann man Flächen/Kulturen aus den Bereichen Ackerbau, Gemüsebau, Grasland, Obst und Beeren, Tabak oder Weinbau gegen Hagel, Frost, Trockenheit oder Staunässe. Tierbestände kann man gegen Tierseuchen versichern.

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