
Zustand der Biodiversität weltweit
Laut dem Global Assessment Report von IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) aus dem Jahr 2019 ist rund eine Million von geschätzten acht Millionen Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. In den wichtigsten Lebensräumen der Welt nahm die Häufigkeit lokaler Arten seit 1900 um 20 Prozent ab. Das liegt hauptsächlich daran, dass sich die weltweite Bevölkerung verdoppelte und sich damit die natürlichen Lebensräume drastisch veränderten. Denn es braucht mehr Wohnungen, Arbeitsplätze, Infrastruktur, Energie und natürlich auch Lebensmittel.
Gemäss dem Bericht sind die fünf wichtigsten Gründe für die Abnahme der Biodiversität (in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit):
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Veränderung in der Land- und Meeresnutzung (z.B. Ausdehnung der Siedlungsfläche, Abholzung, intensive Monokulturen,)
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Übernutzung der Ressourcen (z.B. Landwirtschaft, Jagd oder Fischerei)
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Klimawandel
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Umweltverschmutzungen
Vertiefung: Invasive gebietsfremde Arten in der Landwirtschaft
Einjähriges Berufkraut, Tomate, Japankäfer oder Kartoffel sind sogenannte Neobiota. Damit werden alle Organismen bezeichnet, die nach der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus im Jahr 1492 in ein fremdes Land eingeschleppt wurden. Während wir Tomaten oder Kartoffeln mittlerweile als einheimisch wahrnehmen und schätzen, ist das beim Einjährigen Berufkraut oder dem Japankäfer anders: Sie sind invasiv – das heisst, verdrängen einheimische Arten und gefährden die Biodiversität. Andere invasiven Arten übertragen Krankheiten, beschädigen Infrastruktur wie Strassen und Gebäude oder führen in der Landwirtschaft zu erheblichen Ernteverlusten. Die verursachten Schäden sind bis heute nur grob abschätzbar. Gemäss Bundesamt für Umwelt handelt es sich um eine Schadenssumme von rund 170 Millionen Franken pro Jahr, wobei der Aufwand für die Bekämpfung noch nicht berücksichtigt wurde L36. Der globale Handel, die hohe Mobilität und der Klimawandel fördern die Zunahme eingeschleppter Arten stark.
Invasive Neophyten (gebietsfremde Pflanzen) lassen sich nur auf eine wirksame Art bekämpfen: Sie müssen immer und immer wieder entfernt, idealerweise sogar von Hand ausgerissen werden – wahrlich eine Sisyphusarbeit. Eine generelle gesetzliche Vorschrift zur Bekämpfung von Neophyten gibt es nicht. Mit einer Ausnahme: Landwirtinnen und Landwirte müssen invasive Neophyten auf ihren Flächen bekämpfen, sonst werden sie mit Direktzahlungskürzungen bestraft. In der Landwirtschaft ist zurzeit das Einjährige Berufkraut auf Vormarsch. Es bildet pro Pflanze 10'000 Samen, die der Wind in der Gegend verteilt. Die Samen überleben problemlos mehrere Jahre im Boden. Besonders ist, dass das Einjährige Berufkraut nicht nur andere Pflanzen verdrängt, sondern auch Stoffe an die Umgebung absondert, welche die Keimung und das Wachstum anderer Pflanzen hemmen L37.

Einjähriges Berufkraut

Japankäfer (Bild: Agroscope)
Auch invasive Neozoen (gebietsfremde Tierarten) kennen keine Ländergrenzen und ihre Bekämpfung gestaltet sich noch schwieriger. Wenn invasive Neozoen zusätzlich als Schadorganismen eingestuft sind, besteht eine allgemeine Melde- und Bekämpfungspflicht. Da beispielsweise kleine Insekten oft nur schwer erkennbar sind, sind auch Meldungen aus der Bevölkerung wertvoll. In der Landwirtschaft gibt es verschiedene invasive Schädlinge. Zum Beispiel die Marmorierte Baumwanze. Der Schweizer Obstverband schätzte die verursachten Ernteverluste von Birnen im Kanton Thurgau im Jahr 2019 auf über 3 Millionen Franken, was einem Ausfall von 25 Prozent der Ernte entspricht. Zur Bekämpfung zeichnet sich eine Lösung mit einem natürlichen Gegenspieler ab, die aus Asien stammende Samurai-Schlupfwespe. Sofern deren Freilassung bewilligt wird L38. Der neueste Fall eines Schädlings ist der Japankäfer, der von Italien her eingewandert ist: Der Käfer ernährt sich von Laubbäumen, Obstbäumen, Reben, Beeren, Mais, Bohnen oder Spargeln und kann ganze Anlagen kahlfressen. Er steht unter Melde- und Bekämpfungspflicht L39.
Auch die Vielfalt von Nutztierarten und Nutzpflanzenarten nimmt ab: Unsere Grosseltern kannten zum Beispiel viel mehr Apfelsorten als wir heute im Laden kaufen können. Der Artenverlust bedroht die Ernährungssicherheit, da die Konzentration auf wenige Pflanzen- und Tierarten die Landwirtschaft anfällig macht. Das Klumpenrisiko findet sich bei der pflanzlichen wie bei der tierischen Produktion:
- Weltweit pflanzen wir mehr als 6‘000 Pflanzenarten an.
- Nur knapp 200 Arten leisten einen wichtigen Beitrag zur Nahrungsmittelproduktion.
- 9 Pflanzenarten machen 66 Prozent der gesamten pflanzlichen Produkte aus.
Die neun weltweit wichtigsten Kulturpflanzen: Zuckerrohr, Mais, Weizen, Reis, Kartoffeln, Ölpalmfrüchte, Sojabohnen, Zuckerrüben und Maniok L40.

- Weltweit kennen wir 7‘745 Nutztierrassen.
- Davon sind 26 Prozent vom Aussterben bedroht.
- Von 67 Prozent ist der Gefährdungsstatus unbekannt.
- Nur 7 Prozent sind nicht gefährdet L33.
Weltweit sind von 7‘745 Nutztierrassen 26% vom Aussterben bedroht, 7% nicht gefährdet und von 67% kennt man den Gefährdungsstatus nicht.
Vertiefung: Wert der Biodiversität
Biodiversität erbringt vielfältige Leistungen für Menschen, Tiere und unsere Umwelt (Tabelle aus dem BAFU-Bericht zur Biodiversität in der Schweiz, 2023).

Ökosysteme sind Netzwerke des Lebens. Sie schaffen und erhalten Räume, in denen Organismen leben, die einen direkten oder indirekten Nutzen für uns Menschen haben.

Biodiversität reguliert Organismen, die für Menschen sowie ihre Nutzpflanzen und -tiere schädlich sind (natürliche Schädlingskontrolle; Reduktion des Risikos von Infektionskrankheiten)

Tiere ermöglichen und fördern die Bestäubung sowie die Verbreitung von Samen.

Ökosysteme produzieren Biomasse, die als Brennstoff dient.

Ökosysteme erhalten und verbessern die Luftqualität, indem sie Schadstoffe aufnehmen und abbauen.

Wildlebende, domestizierte oder kultivierte Organismen dienen den Menschen als Nahrung. Die Natur liefert zudem Futter für unsere Nutztiere.

Ökosysteme regulieren das Klima, beispielsweise indem sie Kohlenstoff speichern und zur Wolkenbildung beitragen.

Organismen liefern zahlreiche Materialien, mit denen die Menschen bauen, sich einkleiden oder schmücken. Lebende Organismen werden zudem als Haus und Nutztiere gehalten.

Pflanzen regulieren den CO2-Gehalt der Atmosphäre und damit den pH-Wert des Meereswassers.

Organismen sind eine der wichtigsten Quellen für Heilmittel, die seit Jahrtausenden vom Menschen verwendet werden.

Ökosysteme regulieren die Menge, die Verteilung und die Verfügbarkeit von Süsswasser (z. B. als Trinkwasser oder für die Stromproduktion).

Landschaften, Lebensräume und Organismen ermöglichen es dem Menschen, Bildung, Wissen und Fähigkeiten zu erwerben.

Ökosysteme filtern organische Partikel, Schadstoffe, Krankheitserreger und Nährstoffe aus dem Wasser und liefern den Menschen hochwertiges Trinkwasser und sauberes Wasser zum Baden.

In einer natürlichen, biologisch vielfältigen Umgebung erholen wir uns physisch und geistig (Ferien, Freizeit).

Organismen sind massgeblich an der Bodenbildung und -erhaltung beteiligt sowie an der Bereitstellung der Nährstoffe für die Nutzpflanzen.

Landschaften, Lebensräume und Organismen können den sozialen Zusammenhalt fördern und haben das Potential für spirituelle Erfahrungen.

Ökosysteme schützen Menschen und ihre Infrastruktur vor Extremereignissen wie Hochwasser, Stürmen, Hitzewellen, Lawinen, Erdrutschen und Tsunamis.

Aufrechterhaltung und Sicherung von Optionen für die Zukunft: Unsere Nachkommen sollten auf die Ressource Biodiversität zurückgreifen können zur Erhaltung ihrer Lebensqualität.