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Landwirtschaftsnahe Tätigkeiten

Diese Tätigkeiten umfassen soziale und touristische Dienstleistungen, die nicht zur landwirtschaftlichen Produktion gehören, jedoch nur in Zusammenhang mit der Landwirtschaft angeboten werden können.

Was sind «landwirtschaftsnahe Tätigkeiten»?

Es gibt soziale oder touristische Dienstleistungen, die nicht zur landwirtschaftlichen Produktion gehören, jedoch nur in Zusammenhang mit der Landwirtschaft angeboten werden können. Solche Betriebszweige mit einem engen sachlichen Bezug zur Landwirtschaft und zum Standortbetrieb definiert das Landwirtschaftsgesetz als landwirtschaftsnahe Tätigkeiten. Typische Beispiele dafür sind Agrotourismus, Betreuungs- und Beschäftigungsangebote oder Schule auf dem Bauernhof.

Warum soll die Landwirtschaft Bauten und Einrichtungen für landwirtschaftsnahe Tätigkeiten erstellen?

Mit dem Strukturwandel und den sinkenden Produkterlösen sind viele Bauernfamilien auf zusätzliche Einkommen angewiesen. Im Sinne einer Diversifizierung spezialisieren sich einige Betriebe in touristischen, pädagogischen oder sozialen Dienstleistungen. Diese benötigen spezifische Gebäude und Einrichtungen. Da landwirtschaftsnahe Tätigkeiten nur zusammen mit einem intakten Landwirtschaftsbetrieb funktionieren, gehören diese Bauten auf den Standortbetrieb. Dafür geeignet sind insbesondere nicht mehr benötigte Ökonomiebauten, die aufgrund ihrer Architektur zwar erhaltenswert sind, jedoch nicht mehr für eine zeitgemässe Produktion taugen.

Wo liegen die Herausforderungen in der Raumplanung?

Wollen Bäuerinnen – meist sind es Frauen – ihren Landwirtschaftsbetrieb mit Bildungs-, Betreuungs- oder Freizeitangeboten diversifizieren, scheitern sie heute meist an den sich überlagernden Gesetzesgrundlagen. Die Behörden lehnen daher oft mit Verweis auf den Ausnahmetatbestand die Bewilligung ab. Dies, obwohl die Nachfrage der Öffentlichkeit nach Bildungs- und Betreuungsnageboten in Zusammenhang mit Natur und Tieren sehr gross ist.

Landwirtschaftsnahe Tätigkeiten werden heute zusammen mit Autowerkstätten und Schreinereien als «nichtlandwirtschaftliche Nebenbetriebe» kategorisiert und von den Behörden unterschiedlich beurteilt. Nötige Bauten und Einrichtungen benötigen daher eine Ausnahmebewilligung. Zahlreiche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, wie etwa, dass das Haupteinkommen aus der Landwirtschaft kommt oder dass die Bauernfamilie den Nebenbetrieb selbst leitet. Die Einrichtungen sind vorwiegend in bestehenden Bauten unterzubringen.

Welche Verbesserungen bringt die zweite Revision des Raumplanungsgesetzes in Bezug auf die landwirtschaftsnahen Tätigkeiten?

Leider gab es im Rahmen von RPG2 keine Verbesserungen für landwirtschaftsnahe Tätigkeiten, trotz der Vorschläge, dass Gebäude, die für landwirtschaftsnahe Tätigkeiten, insbesondere für den Agrotourismus, genutzt werden, als "zonenkonform" für die Landwirtschaftszone gelten sollten.

Gesetzestext

Art. 24b RPG

1bis   Unabhängig vom Erfordernis eines Zusatzeinkommens können Nebenbetriebe mit einem engen sachlichen Bezug zum landwirtschaftlichen Gewerbe bewilligt werden; dafür können massvolle Erweiterungen zugelassen werden, sofern in den bestehenden Bauten und Anlagen kein oder zu wenig Raum zur Verfügung steht.

Verordnungstext

Art. 40 RPV

3 Als Nebenbetrieb mit einem engen sachlichen Bezug zum landwirtschaftlichen Gewerbe gelten insbesondere:

a. Angebote des Agrotourismus wie Besenwirtschaften, Schlafen im Stroh, Gästezimmer auf dem Bauernhof, Heubäder;

b. sozialtherapeutische und pädagogische Angebote, bei denen das Leben und soweit möglich die Arbeit auf dem Bauernhof einen wesentlichen Bestandteil der Betreuung ausmachen.

Nachgefragt bei Simon und Sandra Höllrigl aus Avers Pürt GR

Vincent Boillat

Wie kamen Sie auf die Idee, «Schlafen im Stroh» anzubieten?

Unser Tal lebt vom naturverbundenen Tourismus. Es ist ruhig und die Gäste schätzen dies sehr. Es reizte uns «Schlafen im Stroh» anzubieten, weil es in unser Tal passt und es dieses Angebot bisher nicht gab.

Welche Herausforderung erlebten Sie in der Umsetzung der Idee bis zu den ersten Gästen?

Wir planten einen neuen Milchviehstall inklusive einem «Schlafen im Stroh». Leider gestaltete sich die Standortsuche schwierig, was auch den Aufbau des Agrotourismusbetriebszweigs verzögerte. Zusätzlich ist die Realisierung von Bauten auf 2’000 m über Meer herausfordernd, da der Schnee eine hohe Dachlast verursacht. Entsprechend ist die Statik von Gebäuden komplex.

Im Jahr 2013 bekamen wir schliesslich einen neuen Berater, der unsere Idee vom «Schlafen im Stroh» unterstützte und 2014 konnten wir unseren Milchviehstall bauen. Die raumplanerische Auflage war, dass wir keine feste Küche einbauen und die Räume nicht isolieren dürfen. Da unser Betrieb jedoch auf 2'000 Metern liegt und es teilweise auch im Sommer kalt wird, erhielten wir die Erlaubnis, die Räume zu isolieren.

Was kann bei einer Übernachtung im Stroh bei Ihnen erleben?

Das Spezielle ist, dass die Gäste bei uns wirklich im Stroh übernachten und nicht, wie sonst im Agrotourismus, in einem normalen Bett. Bei der Übernachtung ist das Frühstück mit hofeigenen Produkten inbegriffen. Die Gäste können auch unseren Stall besuchen und mithelfen. Da die Tiere im Sommer auf der Alp sind, begleiten uns die Gäste manchmal oder sie unterstützen uns beim Heuen. Gäste, die gerne noch einen vollen Stall gesehen hätten, kommen gerne nochmals zu einem späteren Zeitpunkt vorbei, um die Kühe zu bewundern. Den Einblick in den Bauernhof wird von allen sehr geschätzt.

Haben Sie Ratschläge für jene, die gerne ein «Schlafen im Stroh» anbieten möchten?

Wir repräsentieren die Schweizer Landwirtschaft. Daher sollte man Freude am Kontakt mit den Gästen mitbringen und sich Zeit für die Gästebetreuung nehmen. Erwarten darf man jedoch nicht, dass das Angebot nach eins bis zwei Jahren bereits ausgebucht ist. Zudem ist wichtig, ins Marketing zu investieren. Sehr empfehlen können wir auch die Kombination von «Schlafen im Stroh» und Hofladen, da sie viele Synergien ermöglicht.

Zum Beispiel verkaufen wir im Hofladen Birnenbrot. Wenn das Ablaufdatum näher rückt, können wir es den Gästen zum Frühstück auftischen. Im Sommer können unsere Gäste Würste kaufen und auf dem Grill bräteln, den wir zur Verfügung stellen. Manche unserer Gäste essen sonst kein oder nur wenig Fleisch, aber bei uns machen sie eine Ausnahme, weil sie sehen, wie die Tiere gehalten werden.  

  • Simon und Sandra Höllrigl und ihre vier Kinder
  • Betriebsgemeinschaft mit Simons Bruder
  • Biobetrieb in der Bergzone IV auf 2’000 m ü. M.
  • 70 ha Grasland
  • Milchproduktion (mit Mutterkuhhaltung des Bruders)
  • Hofladen und PV-Anlage

Wie könnten die Rahmenbedingungen verbessert werden?

Die Bauten und Einrichtungen der landwirtschaftsnahen Tätigkeiten sollten bei den zonenkonformen Bauten der Landwirtschaft unter Artikel 16a geregelt werden. Mit der Zonenkonformität würde die Anforderung des engen sachlichen Bezugs zur Landwirtschaft gestärkt. Dieser Paradigmenwechsel ist keine Liberalisierung, denn gegenüber der heutigen Ausnahmebewilligung ist die Zonenkonformität eine verpflichtende Voraussetzung. Dies würde mehr Rechtssicherheit für erwünschte Projekte schaffen und gleichzeitig den unerwünschten Bauernhotels und Agro-Funparks entgegenwirken.

Nachgefragt bei Helen und Jürg Reicherter aus Sennwald SG

Green Care, Reicheter

Wie sind Sie zur Betreuung gekommen?

Jürg und ich haben selbst drei, nun erwachsene, Kinder. Dazu haben wir während Jahren Pflegekinder aus schwierigen Verhältnissen aufgenommen. Wir sahen, wie ihnen die Natur und die Tiere sowie der grosse Freiraum weitergeholfen haben. Währenddem wir noch Pflegekinder hatten, fing alles mit einer Person an, die ein Burnout aufgrund einer sehr schwierigen Beziehungssituation hatte und gerne für einige Monat zu uns kommen wollte.

Einige Zeit später erhielten wir eine Anfrage von einem Berufsbeistand, ob sich mein Mann vorstellen könnte, einen Lernenden auszubilden, welcher IV-Leistungen beansprucht. Zuerst arbeiteten wir nur mit Personen, die tagsüber zu uns kamen. Dann wollten wir unser Angebot ausbauen, so dass beeinträchtigte und betagte Personen auch bei uns wohnen und wir ihnen eine 24-Stunden Betreuung anbieten können.

Zugleich absolvierte ich die Ausbildung zur Sozialmanagerin, um mir das nötige Wissen, zum Beispiel wie ein Betreuungskonzept erstellt wird, anzueignen. Ebenfalls sind wir Mitglied im Verein Carefarming. Dort können wir uns mit anderen Betrieben austauschen und gegenseitig vom Wissen profitieren.

Wie sieht Ihr Betreuungsangebot aus?

Die Betreuung ist abhängig von der zu betreuenden Person. Je nachdem wie fit sie ist und abhängig von ihrer Tagesform, können wir ihr mehr oder weniger Aufgaben und Verantwortung übertragen. Momentan betreuen wir eine suchtkranke Person. Die Frau hat Mühe beim Gehen und hilft daher in erster Linie im Haushalt mit oder verrichtet einfache Arbeiten, wie z.B. den Tieren auf der Weide das Wasser auffüllen. Falls wir eine weitere Person aufnehmen, ist es sehr wichtig zu schauen, dass diese gut zu der Frau passt, die jetzt bei uns wohnt.

Welchen Herausforderungen sind Sie bisher begegnet?

Uns lag am Herzen, dass die Betreuten eigene Räumlichkeiten haben. Sie haben Anschluss an unsere Familie, aber es ist genauso wichtig, dass sich beide Parteien zurückziehen können. Eine Einliegerwohnung mit eigenem Zimmer, Badezimmer und Aufenthaltsraum ist daher ideal. Auch eine kleine Kochnische wollten wir zur Verfügung stellen. Dies auch, damit die Betreuten selbständiger werden und sich z.B. an den Wochenenden selbst verpflegen. Schliesslich ist dies das Ziel der Betreuung: das Trainieren des selbständigen Managens des Alltages und je nach Person, die Heimkehr nach Hause.

Leider konnten wir unsere Vorstellung der Einliegerwohnung nicht so realisieren, wie wir wollten. Die Behörden befürchteten bei einer fest eingerichteten Kochnische, dass die Räumlichkeiten zu einer Wohnung umgenutzt werden könnten. Nach Abklärungen beim Kanton war klar, dass wir für zwei Personen mit Beeinträchtigungen oder drei betagte Personen bauen dürfen.

Wir haben die Bedingung, dass die Betreuung über meinen Mann und mich abgedeckt werden muss und dies in bestehenden Gebäuden, bei welchen minimale Erweiterungen erlaubt sind. Sobald wir keine Personen mehr bei uns betreuen, haben wir die Auflage, dass die Einliegerwohnung wieder rückgebaut werden muss. Trotz all den Umständen, befriedigt uns diese Aufgabe, da es eine Freude ist, in Menschen zu investieren und miterleben zu können, wie sie Fortschritte machen. Auch wenn diese manchmal nur klein sind.

  • Helen und Jürg Reicherter
  • IP-Suisse
  • 34 ha LN Grasland
  • Mutterkuhhaltung (58 Mutterkühe für die Produktion von Natura Veal)

Kontaktperson

Bei Fragen wenden Sie sich an die zuständige Fachperson:

Beat Röösli
Beat RöösliStv. Leiter Departement Wirtschaft, Bildung und InternationalesDiese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

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