Kapitel 2: Situation in der Schweiz
Entwicklung der inländischen Produktion
Das Alpenland Schweiz verfügt über eine Landwirtschaftsfläche von 1.45 Million Hektaren, ein Viertel der Schweizer Gesamtfläche. Zwei Drittel der Schweiz werden als Berggebiet eingestuft. Dort schränken klimatische Bedingungen, Hangneigung und Bodenbeschaffenheiten die Möglichkeiten in der pflanzlichen Produktion für die direkte menschliche Ernährung ein. Andererseits bieten diese Gegenden optimale Voraussetzungen für die graslandbasierte Haltung von Wiederkäuern. Das deckt sich mit der Praxis: über 725'000 ha sind Grünland und Wiesen und weitere 503'000 ha Alpweiden werden über den Sommer bewirtschaftet. Insgesamt werden also fast 85% der Landwirtschaftsfläche als Wiesen und Weiden genutzt. Ackerbau wird hingegen auf weniger als 10% der Schweizer Gesamtfläche betrieben. Hinzu kommt, dass für gerade diese Ackerflächen im Mittelland auch anderweitig Interesse besteht: pro Sekunde wird in der Schweiz 1 m2 Landwirtschaftsfläche überbaut. Der jährliche Kulturlandverlust entspricht damit in etwa der Fläche des Brienzersees. Boden ist ein knappes und wertvolles Gut, insbesondere im Mittelland, wo bereits heute 17% der Fläche überbaut und der Druck aufs Kulturland weiterhin sehr gross ist. Mehr zum verantwortungsvollen Umgang mit Landwirtschaftsflächen findet man im Fokus digital zum Thema Raumplanung. Trotz schwindenden Flächen stieg der Beitrag der einheimischen Landwirtschaft an die sichere Versorgung der Schweizer Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten. Die grüne Revolution hielt Mitte des 20. Jahrhunderts auch in der Schweiz Einzug und sorgte dafür, dass sich die Kalorienproduktion bis zur Jahrtausendwende um zwei Drittel erhöhte. Seither blieb das Produktionsniveau dank technischem Fortschritt trotz dem ständigen Rückgang der Landwirtschaftsflächen stabil (Abbildung 4). Gleichzeitig sind Lebensmittel immer günstiger geworden. Ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt gibt heute lediglich 6.8% des Brutto-Einkommens für den Einkauf von Lebensmitteln aus. Der europaweite Durchschnitt ist mit 12.9% mehr als fast doppelt so hoch.
Abbildung 4: Versorgungslage: Indexierte Entwicklung 1955 - 2021
Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS), Agristat
Faktoren, die das Produktionspotential beeinflussen:
Das hohe Produktionsniveau in den vergangenen Jahren ist insofern bemerkenswert, da die Schweizer Landwirtschaft vergleichsweise hohe und stetig steigende ökologische Anforderungen erfüllen muss. Eine Herausforderung stellt gegenwärtig der Absenkpfad Pflanzenschutzmittel und Nährstoffverluste (Pa. Iv. 19.475) dar. Modellierungen der Agroscope zeigen, dass sich der reduzierte Pflanzenschutzmitteleinsatz signifikant auf die Erträge im Pflanzenbau auswirken wird: Ölsaaten (-17%), Brotgetreide (-11%) und Zuckerrüben (-10%) sind dabei am stärksten betroffen. Neben den ambitionierten Zielen gilt es weiter den grossen freiwilligen Beitrag der Bauernfamilien zu beachten. Beispielsweise stellen diese heute knapp 20% ihrer Flächen zur Förderung der Biodiversität bereit. Das ist fast drei Mal mehr, als für den Erhalt der Direktzahlungen verlangt wird. 7362 Betriebe produzieren zudem biologisch, 18'000 orientieren sich an den Vorgaben von IP Suisse. Daneben gibt es zahlreiche weitere Label, deren Anforderungen zum Teil weit über das gesetzliche Minimum hinaus gehen.